Vom Treffen der Hinterbliebenen von Kriegsendmorden der Nazis
I.
Kurz vor der Befreiung von Krieg und Faschismus wurden im Frühjahr 1945 Tausende Antifaschistinnen und Antifaschisten von den Nazis „ausgeschaltet“ und ermordet. Während seit Herbst 1944 zahlreiche geheime Bemühungen von Nazioberen um eine Wende des Krieges – eine Wende zu einer Einigung mit dem Westen zur Fortsetzung des Krieges gegen den Osten, die Sowjetunion – unternommen wurden, ist gleichzeitig ein Mordfeldzug gegen deutsche und ausländische Antifaschisten und gegen deutsche Soldaten, die dem Wahnsinn ein Ende bereiten wollten, in Gang gesetzt worden. Die Nazis befürchteten, diese Kräfte, vor allem Arbeiterinnen und Arbeiter, könnten sich die Früchte des Sieges über den Faschismus durch gemeinsames Handeln für eine Zukunft in Frieden und Demokratie sichern wollen. So sollte ihr Mitgestalten an einer grundlegenden Wende und an einer Nachkriegszeit ohne Nazis und Militaristen verhindert werden.
Diese Massenmorde wie auch die Massaker in den Konzentrationslagern und auf den Todesmärschen von den KZ nach Westen entsprachen dem Nachkriegs- und Überlebenskonzept des deutschen Faschismus. Gestapochef Müller hatte versichert: „Wir werden nicht den gleichen Fehler machen, der 1918 begangen wurde; wir werden unsere innerdeutschen Feinde nicht am Leben lassen.“
Welche Zukunftsvorstellungen verbanden die Opfer dieser Massenmorde kurz vor Kriegsende? Dieser Frage widmeten sich kurz vor Ostern 2005 in Dortmund deutsche und ausländische Antifaschisten auf einem internationalen Treffen, zu dem das Internationale Rombergparkkomitee eingeladen hatte. Teilgenommen haben auch die Internationale Föderation der Widerstandskämpfer FIR und die Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten und örtliche antifaschistische Initiativen und Historikerinnen und Historiker.
II.
Bei dem Treffen im Dortmunder Rathaus wurden über 60 Tatorte von Kriegsendmorden in Deutschland benannt. Hinterbliebene der Opfer der Verbrechen und diejenigen, die heute in ihrem Sinne handeln, haben diese grauenvolle Bilanz zusammengetragen.
Sie möchten nun von Dortmund aus mit den regionalen Hinterbliebenengruppen oder antifaschistischen Geschichtsarbeitern in Kontakt treten. Das Internationale Rombergparkkomitee, unterstützt von der VVN-BdA in NRW, setzt die Kontaktaufnahme zu Gruppen aus möglichst vielen Orten fort, an denen kurz vor der Befreiung noch Massenerschießungen stattfanden und Hitlergegner ermordet wurden. Diese Kontakte und Vernetzung soll gegen das Vergessen gerichtet sein und dem Erfahrungsaustausch dienen, wie Erinnerungsarbeit vor allem mit der Jugend erfolgen kann.
III.
Notwendig ist auch, die Zusammenarbeit auch international fortzusetzen, denn die Kriegsendverbrechen wurden vor allem an ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern verübt. Es geht um die Verwirklichung des Vermächtnisses des antifaschistischen Widerstands in Europa, um die Wiederherstellung und Anwendung des antifaschistischen Konsenses „Nie wieder Krieg, nie wieder Faschismus“.
Die internationale Zusammenarbeit muss auch deshalb verstärkt werden, weil leider auch ein Europa des Friedens, ein Europa, das die Lehren von 1945 zieht, noch in weiter Ferne liegt. Die Pläne, eine EU-Verfassung zu schaffen, welche die antifaschistischen Grundpositionen aus deutschen Verfassungstexten ablösen und abschaffen soll – Verbot des Angriffskrieges und seiner Vorbereitung, Armeen nur zur Verteidigung, Sozialpflichtigkeit des Eigentums, Recht auf Arbeit, Verbot des Nazismus und Neonazismus, Bekräftigung der 1945er Befreiungsbestimmungen von Militarismus und NS-Regime – müssen auf den Widerstand der Antifaschisten stoßen. Das Anwachsen von Antisemitismus, Neofaschismus und Rassismus in ganz Europa, vor allem aber in Deutschland, ist alarmierend. Das Vermächtnis von 1945 gebietet, dem entschlossen entgegen zu wirken.
Nicht zugelassen werden darf auch die offene und schleichende Umwidmung der Erinnerungsarbeit und der Gedenkstätten hin zu einem „Gedenken“, das auch die Täter als Opfer einschließt. Das EU-Parlament hat Anfang der 90er Jahre, als besonders in den neuen Bundesländern rechte politische Kräfte und auch solche der „Mitte“ die Abwicklung und politische Umwidmung der KZ-Gedenkstätten betrieben, in einem einstimmig gefassten Beschluss den Schutz der Gedenkorte, die Bewahrung der Würde der Opfer und die Erinnerung an die Frauen und Männer, die durch den Naziterror ums Leben kamen, gefordert. Diese Forderung ist zu bekräftigen. Zu bekräftigen ist die Forderung: Für die Entschädigung der Opfer, für die Bestrafung der Täter.
Die Teilnehmer des Treffens von Dortmund bekräftigen 60 Jahre danach den Schwur der Häftlinge von Buchenwald, der auch das Vermächtnis der Opfer der Morde vor Kriegsende ist: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige von den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel. Das sind wir unseren gemordeten Kameraden, ihren Angehörigen schuldig.“
Antifaschistische Gruppen und Initiativen sind aufgerufen, mit dem Internationalen Rombergparkkomitee in Dortmund zusammenarbeiten.