Das Internationale Rombergparkkomitee in Dortmund traf sich am Gründonnerstag, dem 13. April 2006, zu seiner Jahresversammlung, um am Karfreitag, dem 14. April, an den Gedenkveranstaltungen für die Opfer der Dortmunder Karfreitagmorde 1945 mitzuwirken. Diese städtische Gedenkkundgebung vereinte über 1500 Menschen.
Im Mittelpunkt der Jahresversammlung stand das Thema „Gegenwart und Zukunft des Gedenkens“. Referent war Dr. Hans Coppi (Historiker, Berlin), dessen Forschungsschwerpunkt der Widerstand der Arbeiterbewegung ist. Coppi wurde 1942 in einem Berliner Frauengefängnis geboren; kurz danach wurden seine Eltern Hans und Hilde Coppi als Mitglieder der Widerstandsbewegung „Rote Kapelle“ hingerichtet. Er hat sich auf einer Abendveranstaltung in der Gedenkstätte „Steinwache“ den Fragen interessierter Menschen gestellt.
Dort wurde auch der Film „Wahrzeichen ohne Gedenken“ über das Kriegsgefangenenlager Stalag VI D in der Westfalenhalle präsentiert. Die Historikerin Regina Mentner (Dortmund) hat den Forschungsschwerpunkt Westfalenhallen-Stalag, und sie hat den Film erläutert. Auch die ehemaligen NS-Opfer Celine van der Hoek-de Vries (Auschwitzüberlebende aus Amsterdam) und Valentina G. Sushchenko (Moskau, ehemalige Zwangsarbeiterin in der Westfalenhütte) waren anwesend.
Celine van der Hoek-de Vries wurde zur neuen Präsidentin des Internationalen Rombergparkkomitees gewählt. Mehr über die neue Präsidentin unter http://www.nrw.vvn-bda.de/texte/0116_celnie_van_der_hoek.htm
Aus dem Referat von Dr. Hans Coppi:
Keinen Schlussstrich und keine Täter-Opfer-Gleichsetzung zulassen
Vor dem Hintergrund der (Opfer-)Debatten um den 8. Mai 2005 haben wir der Frage nachzugehen, inwieweit die Erinnerung an die Opfer des Faschismus in das kollektive Gedächtnis der Deutschen eingegangen ist, ob die Gedenkkultur den Opfern gerecht wird und sie dem Ausmaß der Verbrechen angemessen ist. Und wie sollte eine Erinnerungskultur aussehen, die zu einer Perspektive einer emanzipativen Gesellschaft beiträgt?
Auf den ersten Blick scheint es keinen Mangel an Beschäftigung mit dem Nationalsozialismus zu geben. 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus gibt es nun endlich ein Holocaust-Mahnmal in der neuen alten Hauptstadt. Anlässlich der wichtigen Gedenktage (27. Januar, 8. Mai, 9. November…) gibt es offizielle Gedenkveranstaltungen. Regelmäßig gibt es Wettbewerbe für Jugendliche, die zur Beschäftigung mit dem Thema anhalten.
Dem gegenüber steht allerdings eine Gleichsetzung von Tätern und Opfern, wie sie sich am deutlichsten in der Berliner Neuen Wache äußert, die „allen Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft“ gewidmet ist. Die Debatte um die Friedenspreisrede von Martin Walser, die Schlussstrichdebatte um die Entschädigung der Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen, die Legitimierung des Kosovo-Krieges mit Auschwitz oder die Gedenkveranstaltungen anlässlich der Jahrestage der Bombardierung deutscher Städte sind weitere negative Beispiele.
In der Gesamtschau muss man zu der Einschätzung kommen, dass die offiziellen Gedenkveranstaltungen vielfach den Opfern nicht gerecht werden und ein verzerrtes Bild vom Nationalsozialismus zeichnen.
Diese „Geschichtsaufarbeitung“ ist geprägt von dem Interesse Deutschlands, endlich einen Schlussstrich unter die Geschichte ziehen zu können und als geläuterter Staat in der internationalen Staatenkonkurrenz eine führende Position einnehmen zu können. So muss also das Gedenken notwendig – weg von der Erinnerung an das größte Verbrechen an der Menschheit – zur bloßen Routine im Sinne des Schlussstrichs werden. Dieser Gedenkroutine gilt es etwas entgegenzusetzen. Wir brauchen ein Gedenken, das in dem Geist der Forderung, dass es nie wieder geschehe, steht und die historischen Kausalitäten benennt. Dabei sollen, so lange noch Zeitzeuginnen und Zeitzeugen am Leben sind, diese zu Wort kommen.
Ansonsten muss ein Paradigmenwechsel stattfinden, da der Fokus nicht mehr auf den Erinnerungen der Überlebenden liegen kann. Das bedeutet, dass die Ereignisse den nachfolgenden Generationen nahegebracht werden müssen, auf dass diese die Wiederholung derartiger Verbrechen zu verhindern wissen und in Richtung einer emanzipativen Gesellschaft streben. In diesem Sinne muss Gedenkkultur also aus Dokumentation, fortwährender Erinnerung und Prävention bestehen.“