Das Gedenken an die Opfer der Dortmunder Karfreitagsmorde von 1945 hat die Umstellung vom gemeinsamen Erinnern mit Zeitzeugen auf das Erinnern weitgehend ohne Zeitzeugen gut überstanden. Es bewährte sich, dass sich das Internationale Rombergparkkomitee mit dem Förderverein Gedenkstätte Steinwache zusammenschloss und nun gleichberechtigter Partner der Stadt Dortmund ist.
Und auch die Veränderungen bei der Großkundgebung am Karfreitag, dem 22. April: Die Worte aus Frankreich nun als schriftliche Grußbotschaft, die Rede des Vorsitzenden des vereinten Komitees, die wieder einmal stärkere Beteiligung an der Kundgebung und am Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf, der Jugendchor, die gemeinsam mit Gisa Marschefski vorbereiteten Worte der Schülerinnen und Schüler der Geschwister-Scholl-Gesamtschule vor allem auch zum Arbeiterwiderstand – dies alles waren hoffnungsvolle Signale für ein gelungenes Hinüberwachsen der Erinnerungsarbeit in eine Phase notwendiger Veränderungen.
Erste Vollsitzung des neuen Vereins
Auf der Grundlage einer neuen gemeinsamen Satzung kam der „Förderverein Gedenkstätte Steinwache / Internationales Rombergparkkomitee“ am Gründonnerstag, dem 21. April 2011, zu seiner ersten Vollsitzung zusammen, und zwar im traditionsreichen Versammlungsraum der Steinwache. Die Teilnehmer kamen aus dem Ruhrgebiet und aus den Niederlanden. Die Mitglieder aus Russland, Polen und Frankreich grüßten aus der Ferne und kündigten an, bei künftigen Vollsitzungen wieder dabei zu sein.
Gisa Marschefski (Ehrenvorsitzende), Norbert Schilff (stellvertretender Vorsitzender) und Ulrich Sander (Vorstandsmitglied) führten durch die Tagesordnung. Das Treffen wurde musikalisch eingeleitet durch den Dortmunder Musiker Reinhard Timmer, der ein Lamento, eine Hommage an die soeben mit dem Bundesverdienstkreuz geehrten Edelweißpiraten und ein traditionelles Liebeslied vortrug.
Eine lebhafte Diskussion entspann sich nach dem Referat von Dr. Ulrich Schneider aus Kassel (Generalsekretär der Föderation des Internationalen Widerstandes FIR) zum Thema „Geht Europa nach rechts?“. Eine Zusammenfassung des Referats findet sich hier.
In der Diskussion zum Referat wurde die Frage aufgeworfen, wie der antifaschistische Konsens von 1945 wiederhergestellt werden kann.
Thematisiert wurden:
– Die Notwendigkeit, die Rolle der Europäischen Volkspartei und darin die Rolle der CDU als führendes EVP-Mitglied bei der gefährlichen Rechtsentwicklung in Europa zu verdeutlichen.
– Das Phänomen, dass in Frankreich Kriege populär sind, in Deutschland aber die Regierung vor neuen Kriegsbeteiligungen immerhin zurückschreckt und auf die Bevölkerung Rücksicht nimmt.
– Die Bedeutung der großen Krise für die Rechtsentwicklung und damit die Gefahr erneuter Versuche von Krisenauswegen mittels scharfen Rechtskurses.
– Das Verhältnis des Sarrazinismus (oder besser -zynismus) zu den deutschen und europäischen Rechten und die Möglichkeit, dass sich eine Rechtsentwicklung in Deutschland weniger mittels NPD etc. Bahn bricht als durch die rechte Radikalisierung der Mitte.
– Die Funktion der Extremismus-Kampagne der Bundesregierung im Kontext der europäischen Entwicklung, um mittels Gleichsetzung von linken Antifaschisten mit Faschisten zu einer Geschichtsrevision und einem rechten Auftrieb zu gelangen.
– Die Rückkehr des Antiziganismus und anderer Formen des Rassismus im Zusammenhang mit der neuen Reisefreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union.
Im weiteren Verlauf der Aussprache wurde zur Entwicklung der fragwürdigen Rolle Dortmunds als neofaschistischer Brennpunkt Stellung genommen. Glücklicherweise gebe es in Dortmund eine breite Ablehnung gegenüber den Faschisten. Die Vorbereitungen zur Abwehr der Neofaschisten am 3. September 2011 wurden begrüßt.
Die Tatsache, dass mit der Karfreitagstradition sowohl in der Bittermark als auch mit den Gründonnerstagstreffen in der Steinwache die Zusammenarbeit der antifaschistischen Linken verschiedener Parteizugehörigkeiten manifestiert wurde, ist ein ermutigendes Zeichen. Norbert Schilff fasste es zusammen: „Dass Dortmund zum Zentrum der Nazis werden konnte, ist eine Schande für die Stadt. Aber hervorzuheben ist der Konsens des Antifaschismus, der seit dem Kalten Krieg besteht und durch diesen nicht zerstört werden konnte, der Konsens der Kräfte von der SPD bis weit links von der SPD. Ja, man kann fast von einer Volksbewegung gegen Rechts sprechen. Die Forderung der CDU nach Ausgrenzung der Linken im Antifaschismus wird nicht zum Zuge kommen.“
Weitere Kundgebungen in Huckarde, Lünen, Brackel und Lippstadt
Von der antifaschistischen Gemeinsamkeit waren dann auch die Kranzniederlegungen mit Kurzansprachen in Huckarde, Lünen, auf dem Internationalen Friedhof Brackel und in Lippstadt geprägt, und dann schließlich die große Kundgebung in der Bittermark mit dem neuen Vorsitzenden Ernst Söder als Redner und Bürgermeisterin Birgit Jörder als Rednerin der Stadt.
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