„Man kann nicht halbe Jüdin sein“

Vera Friedländer liest aus Ihrem Buch

Donnerstag, den 6. September 2012, 19 Uhr in der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache

Über ihr Buch und ihre Biographie berichtet Sie in eigenen Worten:

Die 1. Auflage von „Man kann nicht eine halbe Jüdin sein“ erschien 1982 unter dem Titel „Späte Notizen“. Insgesamt sind vier Auflagen erschienen, die letzte 2009.

Es ist ein literarischer Bericht über eine große jüdische Berliner Familie, die nicht mehr existiert. Ich habe meine Erinnerungen an die Menschen, die mir nahe waren, aufgeschrieben. Es geht in dem Buch um die letzten Jahre der Nazi-Zeit.

Ich erzähle die Geschichte des jungen Mädchens, das ich damals war und dessen Jugend bestimmt war vom Abschied nehmen von denen, die emigrierten oder versuchten, in die Schweiz zu fliehen; auch von der Angst um die jüdische Mutter und um den nicht-jüdischen Vater, der ins Lager kam, weil er sich nicht von seiner Frau scheiden ließ. Und ich selbst musste als 16-jährige Zwangsarbeit unter SS-Bewachung leisten. Trotz der Ängste und Gefahren gab es für mich auch gute, freundliche Zeiten. Ich erhielt Hilfe durch mutige Menschen. Zum Beispiel konnte ich, der nur acht Jahre Volksschule erlaubt waren, illegal eine Handelsschule besuchen, weil der Rektor auf dem Aufnahmeschein bei der Frage nach der „arischen Abstammung“ ein Ja schrieb.
Das Buch zu schreiben, war sehr schwer, weil ich beim Erinnern alles noch einmal erlebte. Aber ich schrieb das Buch, weil ich den Menschen, die es nicht mehr gibt, wieder ein Gesicht geben wollte.

Nach 1945 holte ich nach, was mir bis dahin verwehrt worden war: Studium an der Vorstudienanstalt der Humboldt-Universität (Vorläuferin der ABF/Arbeiter-und-Bauern-Fakultät), Germanistik-Studium, Arbeit als Lektorin und zurück an die Universität. Es folgten von 1960-1986 Promotion und Habilitation und eine Professur für Deutsche Sprache. Zwischendurch, von 1975-1981, Arbeit an der Warschauer Universität, gleichzeitig beim Polnischen Rundfunk (Deutschkurse); für diese Tätigkeit wurde ich mit dem Jakob-und-Wilhelm-Grimm-Preis ausgezeichnet.

1990 gründete ich die Friedländer-Schule, die seitdem eine anerkannte Berliner Sprachschule ist. Ich wurde nach 40-jähriger Ehe Witwe und habe Kinder und Enkel.

In Polen begann ich Literarisches zu schreiben. Das erste Buch erschien 1982. Darin schildere ich meine Erlebnisse der Nazi-Zeit, vor allem die Deportationen von Menschen, die mir nahe waren. In meiner 2009 erschienenen Autobiografie gebe ich weitergehende Auskunft über mich. Autobiografisches enthält auch der in diesem Jahr erschienene Roman „Fliederzeit“, in dem ich die Zeit nach 1945 mit stark autobiografischen Elementen schildere. Ich schrieb Erzählungen, Romane, Beiträge für die „Weltbühne“ und für „Ossietzky“ und gemeinsam mit meinem Mann eine „Kleine Geschichte der geografischen Entdeckungen“.

Hinweis
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