Die Rede von Gisa Marschefski, Karfreitag 2010

Sehr verehrte Angehörige der Mordopfer des Naziregimes,
sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Jörder,
lieber Kamerad Jean Chaize,
verehrte Anwesende!

Erneut erinnern wir an dieser denkwürdigen Stelle an die Ermordung von beinahe 300 Frauen und Männern aus sieben Nationen Europas. Sie alle waren Gegner des Hitlerregimes. Gegner der massenhaften Vernichtung jüdischer Menschen. Gegner des fürchterlichen Raubkrieges, den die Hitlerwehrmacht in beinahe allen Ländern Europas geführt hat. Millionen und Abermillionen Menschen sind diesem von Deutschland begonnenen und bis zum bitteren Ende geführten Krieg zum Opfer gefallen.

Noch in der Endphase dieses massenmordenden Krieges der Nazis, also vor 65 Jahren, wurden die, derer wir heute gedenken, von den Bestien der Hörder Nazigestapo durch Genickschuss ermordet. Bei Nacht und Nebel wurden sie an die Bombentrichter der Bittermark, des Rombergparks und nahe des Hörder Bahnhofs getrieben und auf bestialische Weise umgebracht und verscharrt. Wenige Tage nach der Befreiung vom Hitlerregime fand man ihre Leichen in den Bombentrichtern in diesen Wäldern.

Nicht nur hier, auch an zahlreichen anderen Orten unseres Landes geschahen ähnliche Verbrechen. Wohl nicht mehr auf einen „Endsieg“ hoffend, wollten die Verbrecher des Nazireiches Zeugen ihrer furchtbaren Grausamkeiten zum Schweigen bringen, sie als Mitgestalter Nachkriegsdeutschlands ausschalten und sich selber vor einer Bestrafung retten.

Das beeindruckende Mahnmal, vor dem wir stehen, wurde vor 50 Jahren errichtet. Es soll die Menschen für immer an die grausame Geschichte des Nazireiches in Dortmund und der Welt erinnern. Es mahnt uns, so etwas nicht noch einmal zuzulassen.

Wenn man die Geschichte unseres Landes kritisch betrachtet, muss man zu dem Schluss kommen, dass die Absichten der Mörder in bestimmter Weise gelungen sind. Das zeigt uns der im Jahre 1952 in Dortmund durchgeführte Prozess wegen der Rombergparkmorde mit seinen milden Urteilen. Das beweist auch die misslungene Vernichtung des gesamten Nazisystems, wie sie etwa die Häftlinge von Buchenwald in ihrem nach der Befreiung geleisteten „Schwur von Buchenwald“ gefordert haben.

65 Jahre ist es her, dass mein Vater Erich Mörchel mit seinem Bruder und den 300 Frauen und Männern hier in diesen Wäldern ermordet und verscharrt wurden. Wenn ich versuche, mir vorzustellen, was mein Vater, was seine Kameradinnen und Kameraden angesichts der heutigen politischen Situation sagen würden, so kämen sicher ernste Mahnungen an uns alle aus ihren Mündern. Es ist für mich unvorstellbar, dass Vater „Ja“ sagen würde zu der Beteiligung deutscher Soldaten an den Kriegen in der Welt. Er würde sagen: „Macht Schluss mit den Kriegseinsätzen in Afghanistan und anderen Ländern der Welt! Krieg darf kein Mittel der Politik sein!“

Arbeit, Brot und Völkerfrieden, das war meines Vaters und seiner Freunde Welt. Dafür haben sie sich eingesetzt und diesen Einsatz mit ihrem Leben bezahlt. Handeln wir in ihrem Sinne, fordern wir unüberhörbar: „Schluss mit dem Einsatz deutscher Waffen und Soldaten!“

Und was würden uns die beiden hier ermordeten jüdischen Frauen sagen, die getötet wurden, weil sie Jüdinnen waren? Ganz sicher würden sie mit uns fordern: „Schluss mit Antisemitismus und ausländerfeindlicher Propaganda! Schluss mit Aktivitäten und Schmierereien an den jüdischen Friedhöfen und anderen Stellen!“

Was würden mein Vater und seine ermordeten Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften sagen, wenn sie erleben müssten, dass Gewerkschaftsdemonstrationen, wie am 1. Mai 2009 in Dortmund geschehen, von Nazi-Kolonnen gewalttätig angegriffen werden? Aus bitterer Erfahrung würden sie uns zurufen: „Wehrt Euch, leistet Widerstand gegen den Nazismus hier in diesem Land.“ Und sie würden sagen: „Sorgt dafür, dass die neonazistische NPD endlich verboten wird und damit ein bedeutender Schritt getan wird zur Beseitigung von Ausländerfeindlichkeit und Rassenhass!“

Verehrte Anwesende, die demokratischen Kräfte, die in Dortmund Widerstand gegen Nazismus in seinen verschiedenen Formen leisten, werden stärker. Das ist begrüßenswert und sollte von allen demokratischen Kräften, den Parteien und Organisationen unterstützt werden. Nicht wenige Initiativen entstehen an Dortmunder Schulen. So können wir heute bei dieser Kundgebung Schülerinnen und Schüler der Theodor-Heuss-Realschule erleben, die ich gerne und herzlich begrüße.

Ähnliches gilt für die Naturfreundegruppe Kreuzviertel. Auch in diesem Jahr haben sie zum „Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf“ aufgerufen. Mit diesem Lauf gedenken sie des Mannes, der aktiv bei Borussia Dortmund tätig war und wegen seiner antifaschistischen Arbeit von der Gestapo ermordet wurde.

Im Namen des Internationalen Rombergparkkomitees möchte ich mich bei den genannten Initiativen, aber auch bei den vielen ungenannten Unterstützerinnen und Unterstützern dieser Veranstaltung bedanken.

Liebe Kundgebungsteilnehmer, ich rufe Sie alle, insbesondere aber die Dortmunder Parteien, Organisationen und Verbände auf, das Gedenken an die Opfer der Hitler-Diktatur zu unterstützen. Zeigen wir uns der Ermordeten würdig, folgen wir gemeinsam ihrer Mahnung:

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg!