Die Rede von Gisa Marschefski, Karfreitag 2007

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Miksch,
sehr geehrter Kamerad Chaize,
verehrte Kundgebungsteilnehmerinnen und –teilnehmer!

Es ist für mich, die Tochter des hier ermordeten Erich Mörchel und Nichte des hier ebenfalls ermordeten Karl Mörchel, ein gutes Gefühl zu erleben, dass auch in diesem Jahr wieder eine große Anzahl Menschen aus Dortmund und anderen Städten sowie aus dem Ausland an dieser Gedenkkundgebung teilnehmen.

Wir gedenken der Frauen und Männer aus sieben Nationen, die grausam ermordet wurden, weil sie Gegner des verbrecherischen Naziregimes waren. Alle hier liegenden deutschen Opfer der Gestapo waren schon vor 1933 aktiv im Kampf gegen den drohenden Hitlerfaschismus gewesen. Trotz großer Bemühungen war es den antifaschistischen Kräften nicht gelungen, den Machtantritt des Naziregimes zu verhindern. Die große Mehrheit unseres Volkes hat die Warnung „wer Hitler wählt, wählt den Krieg“ nicht ernst und den Machtantritt Hitlers am 30. Januar 1933 hingenommen. Damit wurde dem barbarischen braunen Terror Tür und Tor geöffnet.

Zuerst traf es die Kommunisten, dann die Sozialdemokraten und schließlich all jene, die aus christlicher oder humanistischer Verantwortung gegen das Hitlerregime waren. Sie, die sich vor 1933 nicht zur Einheit gegen Hitler fanden, traf dann gemeinsam der erbarmungslose Terror der Nazis.

So wurde jene Friedhofsruhe geschaffen, in der Antisemitismus, Völkerhass und eine bis dahin beispiellose Rüstungspolitik verwirklicht werden konnten. Das Ende dieses Prozesses ist uns allen bekannt: Holocaust, Völkermord, Krieg und Zerstörung allerorten in Europa. Die Terror- und Blutspur des Hitlerfaschismus zog sich bis hierher in die Bittermark, den Rombergpark und an die Bahngleise in Hörde. Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter, Christen und Juden traf die Mordlust der Gestapo gleichermaßen.

Die französischen Zwangsarbeiter, die sowjetischen Kriegsgefangenen, die polnischen Zwangsverschleppten, jugoslawischen, niederländischen und belgischen Verschleppten einte der Wunsch nach Beendigung des Krieges und das Verlangen, in ihre Heimat und zu ihren Familien zurückzukehren. Allein das war für die herrschenden Nationalsozialisten Grund für den hundertfachen Mord, den die Gestapo an den Bombentrichtern hier in den Wäldern des südlichen Dortmund um den Karfreitag 1945 verübte.

Dieses Massaker wird für immer ein Makel in der Geschichte unserer Heimatstadt Dortmund bleiben. Die Erinnerung daran ist eine dauernde Aufgabe aller demokratischen und antinazistischen Menschen in dieser Stadt. Die Stadt Dortmund in Person des Oberbürgermeisters und seiner Stellvertreter ruft seit vielen Jahren zu Kundgebungen an diesem Mahnmal auf. Das ist gut, und dafür bin ich als unmittelbar Betroffene sehr dankbar.

Zumal immer deutlicher wird, dass es gilt, diese Kundgebungen als Protest gegen den zunehmenden Neonazismus zu verstehen. Ein Blick in die Zeitung genügt, um zu erkennen, dass Antisemitismus, Rassismus und Gewalt neonazistischer Kräfte beängstigend zunehmen. Die Formen neonazistischer Gewalt werden aggressiver und provokativer. So will die NPD am 1. Mai durch Dortmund demonstrieren, vorbei an Gedenkstätten der Judendeportation, der Zwangsarbeit und der Karfreitagsmorde von 1945. Ich rufe von dieser Stelle und im Sinne der hier ruhenden Ermordeten alle Dortmunderinnen und Dortmunder auf, den Neonaziumtrieben Widerstand entgegenzusetzen, sich der Opfer des Naziterrors würdig zu erweisen.

Staatliches Handeln gegen die Neonazis ist notwendig. Ihre Aufmärsche sind zu verbieten, ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD sollte auf den Weg gebracht werden. Die seinerzeit von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat geltend gemachten Verbotsgründe bestehen nach wie vor. Darum muss die NPD mitsamt ihren Gliederungen, Neben- und Nachfolgeorganisationen verboten und konsequent aufgelöst werden.

In der Auseinandersetzung und Zurückdrängung des Neonazismus sollten wir aber nicht allein auf solche staatlichen Maßnahmen warten. Jeden Tag und an jedem Ort gibt es vielfältige Möglichkeiten, aktiv zu sein gegen Neonazismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit. Erfreulicherweise gibt es in Dortmund zahlreiche Gruppen, Organisationen und Bürgerinitiativen, die sich alle zum Ziel gesetzt haben, den Neonazismus zu stoppen. Ich bitte alle Dortmunderinnen und Dortmunder: Unterstützen Sie diese Initiativen besonders im Hinblick auf den 1. Mai! Werden Sie aktiv gegen Neonazismus! Helfen Sie mit, das Anliegen der Frauen und Männer zu verwirklichen, deren grausamen Tod wir heute beklagen!

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Damals wie heute: Nazis sind Verbrecher, denen wir uns in den Weg stellen müssen!